von poloplayer » 08.09.2014, 20:59
Auf das Hangoff gehe ich hier jetzt nicht ein, denn das Thema dieses Fadens ist ein anderes. Wer will kann ja einen neuen Faden aufmachen und mein Video da zerrupfen.
Ich konnte heute meine Frage nach dem richtigen Gerät für mich Jürgen Fuchs stellen. Vielleicht interessiert euch seine Antwort? Ich bin gerade am Sachsenring und eigentlich geht mein BMW-Track-Day erst morgen los. Ich wollte die S1R und die RR auf jeden Fall mal auf der Rennstrecke testen, bevor ich bestelle. Die Tuono bin ich in Rijeka ja schon auf der Strecke gefahren.
Ich bin also heute schon angereist und habe Jürgen Fuchs im Fahrerlager gesehen. Also ihn gleich angehauen, ob er Zeit und Lust auf eine spontane Taxifahrt hat. Gesagt getan. Ein Erlebnis für 70 Euro, was ich jedem nur empfehlen kann.
Gleich die Boxengasse fahren wir schon komplett auf einem Rad herunter. Was mich etwas besorgt: Ich soll mich in den Kurven innen an ihm vorbeilehnen. Und das, da er sich ja schon raushängt! Es bleibt mir nur, Jürgen und seinen Reifen gnadenlos zu vertrauen. Ich mache also mit und die Schräglage ist brutal. Was aber noch viel brutaler ist, ist die Geschwindigkeit in den Kurven, vor allem in den schnellen Kurven. Das späte Bremsen vor der Kurve kommt mir gar nicht so wahnsinnig vor. Die Bremsen seiner HP4 sind halt viel besser als die meiner Z800.
Während der Fahrt deutet Jürgen an, dass ich ihm etwas mehr Platz geben muss. Ich halte mich an einem Bügel auf dem Tank fest und muss jetzt einfach die Ellbogen mehr nach außen strecken. Hoffentlich kommen die nicht auf den Boden, denke ich, denn ich habe ja nur Knieschleifer und keine Ellbogenschleifer. (Kleiner Witz). Die Kurvengeschwindigkeiten werden also ab jetzt noch größer. Ich muss mich auch viel mehr festhalten als ich gedacht habe, um die Kräfte nach vorne, hinten, links und rechts ausgleichen zu können. Die Runde ist blitzschnell vorbei und zack stehen wir wieder in der Boxengasse. »Och schade«, denke ich, nur eine Runde für 70 Euro? Jürgen dreht sich um und fragt: »Alles ok?«
»Klar« sage ich, »war geil«. »Dann können wir ja jetzt richtig fahren, oder?«, fragt er. Ich: »Achso, das war noch nicht richtig?« Er: »Nee, jetzt werde ich Gas geben.«
Also wieder los. Boxengasse wieder auf einem Rad. Erste Kurve geht noch. Und ab da wird es noch einmal deutlich schneller. Nach den folgenden drei Runden erfahre ich, dass er beim Taxifahren wirklich ganz nah ans Limit geht. In Almeria fährt er bei dem großen BMW-Lehrgang im Taxibetrieb immer Zeiten, die die ganze Woche keiner der Einzelfahrer schlägt. Er ist zwar schwerer und träger mit Passagier, aber dafür kann er viel brutaler aus der Kurve rausbeschleunigen, weil der Passagier ja aufs Hinterrad drückt.
Die drei schnellen Runden waren für mich so anstrengend, dass Jürgen mir auch anbieten hätte können, zum gleichen Preis sechs zu fahren — ich hätte abgelehnt. Ich war durchgeschwitzt und am Ende, aber total befriedigt. Jetzt bin ich noch sicherer, als ich ohnehin schon war, dass ich das Motorradfahren erlernen möchte. Ich steige ab und sage als erstes: »So möchte ich auch mal fahren, wenn ich groß bin.« Spontan entscheide ich, dass ich morgen nicht das 0815-Fahren mitmachen, sondern den ganzen Tag mit Jürgen Einzeltraining haben will. Hoffentlich geht das. Normalerweise geht das nämlich bei BMW-Track-Days nicht, weil die Strecke zu voll ist. Morgen ist aber Dienstag, wenig los und die Veranstalter haben ausnahmsweise ihr ok gegeben.
Jürgen und ich bequatschen also schon mal die ersten Dinge. Ich erfahre, dass er erst mit 25 mit dem Motorradfahren angefangen hat und drei Jahre später Profi wurde. Wow. Und sofort wird klar, dass er eher der Techniker als der Gefühlsfahrer ist. Beim Golf gibt es auch diese Gefühls-Professionals, die es einfach können, ohne zu wissen, wie. Die werden aber nie gute Lehrer. Jürgen zeigt mir die Telemetrie-Daten der Fahrt auf der Software (ich glaube sie hieß 2D?). Man sieht einfach alles: Wie war die Gashahnstellung? Wie die Drosselklappen? Wie die Schräglage? Wie schnell war das Vorderrad? Wie schnell das Hinterrad? Wie viel wurde vorne und hinten gebremst? Wieviel hat das ABS gemacht? Ich schaue begeistert auf all die Kurven. Ein Fest für einen Computer-Nerd wie mich. So kann man ja wirklich erkennen, was Fahrer und Maschine machen. Das brauche ich auch. »Kein Problem«, sagt Jürgen, »die kleine Box kostet 500 Euro. Vor ein paar Jahren musste man noch 10.000 Euro dafür ausgeben. Ich bin auch einer der wenigen Lehrer, die viel Übung damit haben und die Kurven auch interpretieren können.«
Jaaa, das ist mein Mann. Wenn mir einer das Fahren beibringen kann, dann er. Und jetzt die wichtige Frage: »Ist eine BMW das richtige Motorrad für mich? Kann man auf einer 1000er das Fahren erlernen?«
Jürgen: »Mein Sohn ist vor kurzem das erste Mal auf eine Strecke mitgekommen und Motorrad gefahren. Nach zwei Runden auf einer 50er habe ich ihn sofort auf eine 1000er gesetzt. Früher war es richtig, dass man das Fahren auf einer 600er lernen musste. Aber heute nicht mehr. Die Assistenzsysteme machen das möglich.«
Mir reicht jetzt, dass Kec in Rijeka (auch Ex-Profifahrer und unterrichtet so wie Jürgen fast jeden Tag Schüler) und Jürgen sagen, dass es nicht unvernünftig oder unsinnig ist, mit einer 1000er anzufangen. Jetzt müssen wir morgen noch klären, welche es wird. Vielleicht kann ich ja auch aus ihm herauslocken, was die neue RR noch so mit sich bringen wird?
Bei der Taxifahrt deutete sich allerdings schon an, dass mein Nacken das Überstrecken in der geduckten Haltung eventuell nicht mitmacht. Beim Freeclimben habe ich auch immer Migräneanfälle bekommen, wenn ich zu lange nach oben schauen musste, vor allem beim Sichern der anderen.
Jürgen brennt gerade fürs Skifahren, hat Videounterricht bekommen und wir tauschen uns noch darüber aus, dass das Gefühl einen immer täuscht, wenn man etwas ändern soll. Man ändert nur eine Kleinigkeit (eigentlich viel zu wenig) und denkt schon, man würde übertreiben wie Hulle. Beim Golf ist das ja mein täglich Brot. Und ich werde dafür bezahlt, die Leute trotzdem dazu zu bekommen, viel zu ändern. Ich habe auch eine Theorie, warum das mit der Wahrnehmung so ist:
Ich glaube es ist die Homöostase: Der menschliche Körper muss sich bemühen, immer alles im Gleichgewicht und in einem engen Rahmen zu halten: Blutdruck, Körpertemperatur und andere Parameter dürfen nicht zu stark schwanken, um das Überleben sicherzustellen. Und so gaukelt uns das Gehirn jede Änderung immer als viel extremer vor als sie ist, damit wir sie vermeiden. Wenn man die richtige Bewegung dann mal erlernt hat, ist das von Vorteil, weil man sie auch nicht mehr so schnell verlernt. Aber wenn man sich mal was Falsches angewöhnt hat, wird es schwer. Deshalb habe ich auch nicht lange überlegt, ob ein teurer Tag mit Jürgen Fuchs nicht Perlen vor die Säue ist, bei meinem noch sehr frühen Anfängerstadium. Ich glaube, dass gerade Ferkel dringend Perlen brauchen.
In meinem Job sage ich immer: Golf lernen ist wie Zeichnen ohne Radiergummi — Fehler am Anfang sind später nur schwer zu korrigieren.
Ich freue mich also gerade wie ein kleines Kind auf den morgigen Tag und werde hier bestimmt berichten, wenn Interesse besteht. Die Teilnahme bei der großen BMW-Veranstaltung hat mir Jürgen auch schon ans Herz gelegt, da bringe er in drei Tagen jedem bei, schwarze Striche in den Asphalt zu zeichnen. Ich bin dabei!
Grüße Oliver