von Bodo2009 » 20.04.2017, 09:41
Ich versuche es mal einfach anschaulich zu machen.
Wir denken immer ja klar schwarz rund und hält die Luft.
Jedoch bereits bei der Einhaltung der Normen, Fafir hat die mal erwähnt, gibt es bereits viele Probleme, die teilweise nur über den Reifendruck gelöst werden können.
120/70ZR17 (58W) bedeutet lediglich, der Reifen kann ohne Interpolieren bei 270 km/h die maximale Last von 236 kg tragen...bei entsprechendem Luftdruck..der die Last hauptsächlich trägt.
Aber was ist mit Fahrzeugen über 270 km/h die somit aus der Norm rausfallen?...Hersteller muss das berechnen und ggf. freigeben.
Dann stellt sich die Frage, für welchen Einsatzzweck will ich den Reifen bauen?
Der Laie denkt und wird von der Herstellern dazu auch bewogen, ja klar ist eine Sache der Mischung..hart = hält lange = Touren, weich = hoher Grip = Sport.
Auch hier falsch.
Zuerst wird der Einsatz und somit die Form / Kontur des Reifens festgelegt. Dann entsprechend der eigenen Philosophie des Reifenbaues der Karkassenaufbau.
Hier arbeiten alle Hersteller mit unterschiedlichen Verfahren und Bauweisen.
Der Hersteller wirbt halt meist nur mit der neuesten Mischung xy..weil keine Kunde begreifen würde, wenn der Hersteller die Kontur des Reifens, die Umschlaglagen oder die Spannungszonen bei z.B. einem O-Grad Gürtel erklären würde. (Ntec/ACT PLUS/minus/Interact/MS Belt usw)
Die Kontur bestimmt nicht nur ob ein Reifen leicht einlenkt, sie ist auch entscheidend für die Eigendämpfung, Verschleissverhalten, Geradeauslauf und Lastverhalten bei V-Max, Nässe und Trockenperformance.
Je nach Einsatzzweck sind also nicht nur die Mischungen unterschiedlich sondern auch die Reifenkonturen.
Jedoch ist nicht nur die Kontur des Reifens je Einsatzzweck unterschiedlich, sondern auch die definierten Steifigkeiten in den unterschiedlichen Laufflächenbereichen und Seitenwänden und Wulstbereichen.
Durch diese Vielzahl an Möglichkeiten, nimmt der Hersteller dann einen definierten Luftdruck..BSP. 2,5 / 2,9 und simmuliert die unterscheidlichsten Fahrsituationen erst am Rechner, später im Vortest.
Kürzlich war ich auf Sizilien und konnte dort einen neuen Prototyp testen...wird eine Supersportreifen sein. Alleine zu diesem Test hatte der Hersteller 20 unterschiedliche Hinterräder dabei (Profil und Mischung komplett identisch) und die 4 Testfahrer sollten hier gemäß Lastenheft weiter selektieren, mit welchen Grundstukturen weiter gearbeitet wird.
Diese Grundstruktur die dann ausgewählt wird, ist so definiert, dass sie unterschiedliche, dem Einsatz entsprechende Steifigkeiten besitzt, um in der Summe das im Lastenheft gewünschte Ergebnis am nächsten zu kommen.
(In der Moto GP bring MI fast zu jeder Rennstrecke überarbeitet und angepasste Reifen...das ist die Perversion des hier oben ausgeführten Entwicklungsprozesses)
Die erwähnten Steifigkeiten sind grundsätzlich, wie schon erwähnt, auf den Luftdruck ausgerichtet, der den oben benannten Fall..ZR (58W) erfüllt, also die maximal mögliche Belastung.
Wir haben versucht aufzuzeigen, dass in einem gewissen Luftdruckfenster, gemäß der Konturen und Steifigkeiten, der Luftdruck bei Solofahrten auf Landstrassen (also max 100 + x km/h) der geringeren Belastung angepasst werden kann...aber nicht muss.
Unter einem gewissen Wert, der angesichts der geschilderten unterschiedlichen Bauweisen der Hersteller-Karkassen leicht variiert, verlässt man den definierten und die Karkasskontur tragenden Innendruck und verändert die gewünschten und errechneten Fahreigenschaften.
Davon losgelöst sollte es eigentlich klar sein, dass ab einem gewissen Luftdruck die Aufstandsfläche eines durch Luft tragenden Systems irgendwann grösser wird, dies hatten wir jedoch als Grundwissen vorausgesetzt.
Bodo