Brands Hatch mit der California Superbike School

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Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon MSHPU » 06.07.2014, 12:47

Am 03./04. Juni war ich zwei Tage bei der California Superbike School in Brands Hatch in England. Wer beim Forumstreffen in Spa-Francorchamps war, konnte den Eigentümer Glenn und seine Frau Chris bereits kennenlernen, auch wenn der Platz für ihren Stand am Ende leider doch dezentral war, was es nicht allen einfach gemacht hat, dort vorbei zu kommen.

Ich gehe mal davon aus, dass sich sicherlich 95% aller Motorradfahrer Gedanken machen, wie sie besser, sicherer, entspannter oder eben auch schneller Motorrad fahren können, je nachdem wo man seinen persönlichen Schwerpunkt legt. Ich habe auch schon verschiedene Kurse absolviert, ich war bei der Motorcycle Safety Foundation in den USA, beim ADAC, im BMW Fahrsicherheitszentrum am Flughafen München und habe Rennstrecken-Rookie-Schulen bei Ed Bargy in den USA und hier bei Plüss Motorsport gemacht. Gerade deshalb lohnt es sich, über einen Erfahrungsbericht mal den Vergleich zu ziehen.

Der Internetauftritt der California Superbike School ("CSS") http://www.superbikeschool.co.uk/index.php?lang=DE liefert einen recht guten Überblick über die Inhalte. Die Seite wird auch in deutscher Sprache gerade aufgebaut, teilweise sind die Inhalte schon hinterlegt. Das Kursprogramm basiert auf der Arbeit von Keith Code und ist in die vier Stufen ("Levels") aufgebaut. Jeder Level wird an einem ganzen Tag absolviert und ist Voraussetzung für die nachfolgenden Stufen, da die späteren Übungen auf den vorherigen aufbauen. Ich habe damit jetzt die Levels 1 und 2 absolviert. Die Kurse finden primär auf Rennstrecken statt, idealerweise auf kürzeren Strecken, die übersichtlich sind und durch die kürzeren Rundenzeiten eine hohe Wiederholungszahl und damit ein besseres Lernergebnis erlauben. So ist man in Silverstone z.B. auf dem Stowe-Kurs im Infield der Grand-Prix Strecke, da letztere schon wieder recht lang wäre. Die kürzere Indy-Variante von Brands Hatch eignet sich damit perfekt und ist auch ein sehr, sehr klangvoller Name für jeden, der sich auch nur ein wenig mit Motorsport beschäftigt.

Die Kurse beginnen zeitig in Früh mit einer Anmeldung und der Einteilung in drei Gruppen. Diese sind jeweils auf nur 21 Personen begrenzt, so dass man ganz sicher nicht von einer Massenabfertigung oder einem typischen Renntraining sprechen kann, aber dazu später mehr. Die drei Gruppen sind dann wie bei einem Rennstreckentraining abwechselnd auf der Strecke, für die Teilnehmer gibt es damit die sich den ganz Tag über immer wiederholenden drei Zeitfenster Theorie im Kursraum, Fahren auf der Strecke und freie Erholungszeit.

In den Theorieblöcken wird immer ein Problem beim Motorradfahren angesprochen, die Ursache hergeleitet und die Lösung anhand einer Fahrübung präsentiert, die man dann im nächsten Praxisblock auf der Strecke trainiert. Ich hatte an den beiden Tagen zwei unterschiedliche Trainer, die die Theorie vermittelt haben und beide waren sehr gut. In Spa hat jemand zu mir gesagt, dass der Instruktor zwar den Einlenkpunkt für eine bestimmte Kurve zeigen kann, das aber wenig bringt, wenn man nicht versteht, warum dieser Punkt genau dort ist, weil man das dann nicht auf eine andere Kurve einer anderen Strecke oder auf seine Landstraßenrunde übertragen kann, um auch dort den richtigen Einlenkpunkt herzuleiten.

Ich habe bisher aus jedem Kurs irgendwas mitgenommen und keiner davon war eine Zeitverschwendung. Allerdings habe ich noch keinen Kurs erlebt, der die Inhalte so klar strukturiert, systematisch, nachvollziehbar und praxisnah vermittelt hat, wie CSS und das in geballter Form einen ganzen Tag lang und das noch dazu mit einer gleichbleibend hohen Qualität, egal welche Person man gerade vor sich hatte.

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Die Theorie ist sicherlich ein wichtiger Aspekt, mindestens ebenso wichtig ist aber die Praxis und da hebt sich CSS meiner Meinung am meisten ab. Durch die Begrenzung auf eine relativ kleine Teilnehmerzahl entsteht ein Verhältnis von Trainer zu Teilnehmer von teilweise 1:2 oder 1:3, am zweiten Tag hatte ich sogar eine Einzelbetreuung. In den Praxiseinheiten fährt das Teilnehmerfeld raus wie bei einem Renntraining, dann darf aber prinzipiell jeder sein eigenes Tempo fahren. Der Trainer hängt sich dann hinten dran und beobachtet wie man seine Übungen durchführt. Dann überholt er und zeigt Optimierungspotenzial mit präzisen und vorher besprochenen Handzeichen. Nach etwa einer Runde wird man dann wieder vorbeigewunken und der Trainer analysiert wieder. Alternativ wird man auch von ihm kurz in die Boxengasse gewunken, wenn Gesprächsbedarf besteht. Nach der Praxis und der Rückkehr in die Box folgt immer ein Feedbackgespräch. Die analytischen Fähigkeiten der Trainer haben mich von allem am meisten beeindruckt. Man kennt ja seine Stärken und Schwächen und es ist unglaublich, wie punktgenau genau die Schwächen angesprochen werden und konstruktiv Lösungsmöglichkeiten vermittelt werden.

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Die geringer Teilnehmerzahl pro Trainer ist der Schlüssel, viel mitnehmen zu können, denn nur wenn der Trainer auch Zeit hat, genau hinzuschauen, kann er auch die entsprechende Rückmeldung geben. Der andere Punkt war für mich die Freiheit, auf der Rennstrecke mein eigenes Tempo fahren zu können. Das ist beim ADAC Training z.B. durchaus frustrierend, wenn man da hinter jemandem einsortiert wird, der erst zwei Wochen den Führerschein hat und man nicht vorbei darf. CSS legt größten Wert auf Sicherheit und hat mehrfach darauf hingewiesen, dass nicht in die Kurve überholt werden darf (also kein Ausbremsen in die Kurve rein), sondern nur durch Ausbeschleunigen aus der Kurve heraus oder eben durch höhere Geschwindigkeit auf der Geraden. Ansonsten hat man die Freiheit, seine Geschwindigkeit selbst zu bestimmen. Da es mir primär um die Verbesserung meiner Rundenzeit auf der Rennstrecke geht, war ich relativ flott unterwegs und hatte auf der tollen Strecke in Brands Hatch dabei auch richtig Spaß. Es waren Leute dabei, die ich alle drei Runden überrundet habe, aber "so what"? Jeder hat sein eigenes Tempo gewählt und viel gelernt.

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Das ist auch genau der Punkt, warum CSS auch für Leute geeignet ist, die auf der Rennstrecke in der schnellsten Gruppe fahren, sich aber auch noch systematisch steigern wollen. Bei den Trainern sind auch welche dabei, die seit vielen Jahren aktiv Rennen fahren, so dass man sich keine Sorgen machen braucht, dass da keiner mehr hinterher kommt und man nichts lernen kann. Im Gegenteil! Dass man diese Spreizung vom Fahranfänger bis zum ambitionierten Hobbyrennfahrer so hinbekommt, ist schon ein gewisser Geniestreich des Programms.

Wobei Hobbyrennfahrer auch nur die halbe Wahrheit ist - am Rande der zwei Tage habe ich z.B. erfahren, dass ein Top 15 Fahrer der Moto2 CSS kurz zuvor gebucht hat, um ihm per Einzelcoaching bei seinem Fahrstil zu helfen. Und nein, Sandro Cortese war es nicht... ;-)

CSS Kurse gibt es neben den USA und England bereits in vielen Ländern wie Australien oder Südafrika. Im deutschsprachigen Raum leider noch nicht, wobei alleine schon die Historie von Orten wie Silverstone oder Brands Hatch eine Reise wert ist. Man überlegt wohl, ob auch mal Programme auf dem europäischen Festland angeboten werden, bis es soweit ist, kann man allerdings auch für 50 Euro mit Easy Jet oder Ryanair nach England fliegen und den Kurs auf einer Leih-Ducati absolvieren. Beide Panigales und die 1200 Monster kann man mieten und auch das Scheuchen der Panigale 899 über die Rennstrecke hat Spaß gemacht.

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Ich kann nur jedem empfehlen, sich das mal anzuschauen. Nicht weil ich von CSS dafür irgendeinen Cent bekommen würde, sondern weil mich die zwei Tage in jeder Hinsicht absolut überzeugt haben. Nachteil ist sicherlich, dass das Programm nicht ganz preiswert ist, gerade wenn man sich noch die Ducati dazu mietet. Wenn man aber hier liest, für welche Zubehörsachen teilweise vierstellige Beträge ausgegeben werden, dann ist CSS auf jeden Fall jeden Cent wert - und teilweise sogar günstiger, als Kurse mit Einzelinstruktion bei anderen Anbietern.
Zuletzt geändert von MSHPU am 06.07.2014, 12:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon mehrschbass » 06.07.2014, 12:55

Sehr guter Bericht, der mich sehr interessiert fuer CSS. Danke fuer die Erstellung!
Gruss André
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon bluefire R1R » 06.07.2014, 18:59

eine tolle Beschreibung, das hebt sich von den (zumindest mir bekannten Trainings) doch sehr deutlich und positiv ab. Allerdings sieht es auf Deinen Bildern leider nach "englischem wetter" aus ?
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon Marcoru » 06.07.2014, 19:04

Super interessant! War auch gerade beim ADAC und doch eher ernüchtert, demnächst gehts zu einem Kurventraining auf die hiesige Rennstrecke. Irgendwann werde ich so ein Training auch in Angriff nehmen, zur Zeit lese ich Keith Codes Buch "Der richtige Dreh" welches ich auch sehr empfehlen kann.
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon MSHPU » 06.07.2014, 19:17

Das ist richtig, an beiden Tagen war es vormittags feucht. Das macht aber den Spaß und v.a. auch den Lerneffekt nicht kaputt, man fährt dann nur eben etwas langsamer. :)
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon Serpel » 06.07.2014, 20:56

Moin MSHPU,

das tönt interessant!

Hast du noch ein paar von den Tipps in Erinnerung, ums sie hier weiter zu geben? Bestimmt waren auch ein paar allgemeingültige Ratschläge drunter, die für viele von uns von großem Interesse wären.

Gruß
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon Advokatleipzig » 07.07.2014, 09:45

@MSHPU: Danke für den Bericht, zugleich schließe ich mich Serpel an: Es wäre interessant, genaueres - jenseits der wenig informativen Andeutungen auf der von Dir angegebenen Homepage der Schule - zu erfahren über das 4-Stufen-System und die einzelnen Themen der Lehrinhalte der jeweiligen Stufe und die verwendeten Lehrmethoden, auch bezogen auf die praktischen Einheiten. Klar ist England und eine dortige Erfahrung mit einer Instruktion auf einer traditionsreichen Rennstrecke sicherlich eine Reise wert (und man kann es mit einem London-Besuch koppeln). Aber ich jedenfalls frage mich, ob die entscheidenden Faktoren für gute Trainings nicht ohnehin vor allem sind: Nicht zu viel Teilnehmer auf der Strecke gleichzeitig, gutes Instruktor-Trainee-Relation, didaktisch gute Instruktoren (incl. der Hilfsmittel und Lehrmethoden), ordentlich sortierte (und wegen des Fahrkönnens: getrennte) Gruppen, sowie klare - auch durchgesetzte - Regeln auf der Strecke, damit man sich auch in Ruhe den eigenen Übungseinheiten (und vermutlich bei allen guten Anbietern: dem jeweils singulären trainierens einer Schlüsselfertigkeit: Linie finden, Blickführung, Sitzhaltung,........) widmen und auf diese konzentrieren kann (; insogern z.B. super Erfahrung von mir diesen Frühling: FSZ Sachsenring, sog. Rennstreckentraining).

Nach 4 ersten Trackday/Lehrgangserfahrungen auf Rennstrecken nutze ich die Gelegenheit und die Rückmeldungen anderen Forumsteilnehmer deshalb zu folgender Nachfrage: Besteht Interesse, das Forum zu nutzen, um hier SYSTEMATISCH Erfahrungen zu sammeln? Meine Erst-Erfahrung jedenfalls ist es, dass es hier ganz schwer ist, aussagekräftige Infos zu bekommen, abgesehen von andekdotischem Material (z.B. bei Racing4Fun oder Gaskrank), mensch ist hier - gerade im Bereich einer Risikosportart - doch sehr auf ein trial-and-error angewiesen. Bei Interesse könnte ich mir vorstellen, einen entsprechenden Thread einzurichten und zu pflegen.
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon Marcoru » 07.07.2014, 10:25

@Advokatleipzig gute Idee, für mich wäre so ein thread sehr interessant.
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon JoWiCo » 07.07.2014, 15:24

http://www.amazon.de/Das-MotoGP-Handbuc ... 853&sr=1-1

Hallo zusammen,

empfehlenswerte Lektüre, gemacht von einem Trainer der "CSS" - Andy Ibott - der Personal Coach von Thomas Lüthi war.


Die praktische Umsetzung, darum muss sich aber jeder selber kümmern - weil es sehr viel mit erFAHREN und zugehörigem Feedback zu tun hat.
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STOMPGRIP; PAZZO PLA-17H-BL; LSL Brems- + Kupplungshebel kurz; LSL-Rastenanlage mit Umkehrschaltung (TÜV); HP Race Parts Bremshebelschutz; alphaRacing Sturzpads; GBRacing/BigRISK-Motorprotektoren; Öhlins 10,5/10,0 Gabelfedern (Stage1), Dämpfer mit FRS Stage2 und 100er Öhlinsfeder;
HSR-Radial-Reifenwärmer XXL; B V02 SBK f:med/r:soft
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon Advokatleipzig » 07.07.2014, 15:49

[quote="JoWiCo"]http://www.amazon.de/Das-MotoGP-Handbuch-Fahrtechnik-Rennstrecken-Vorwort/dp/3768853594/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1404738853&sr=1-1

Ja, aber m.E. im wesentlichen ein 2. Aufguss von Code, A twist fo the wrist, ein wirklich empfehlenswertes Buch.
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon mycolonia » 12.07.2014, 15:57

Erfahrungsbericht Silverstone 2014

Ich möchte mich dem Bericht von Markus (MSHPU) anschließen. Ich habe auch an den Kursen Level 1 und 2 der Superbikeschool teilgenommen, und zwar im April in diesem Jahr in Silverstone auf dem Stowe-Kurs (Infield des Grand-Prix Kurses).

Ich hatte bereits eine ganze Reihe von ADAC-Kursen/Sicherheitstrainings mit diversen Bremsübungen und Hütchenfahren absolviert, suchte aber nach einer Möglichkeit, meine Fahrtechnik und mein Verständnis für die Maschine zu verbessern.

Mehr durch Zufall bin ich bei LOUIS auf eine etwas verstaubte DVD von Keith Code (Gründer der Superbikeschool) und sein Buch „Der richtige Dreh“ Bd. 2 gestoßen. Nach Querlesen des Buches und anschließenden Internetrecherchen bin ich dann beim Kurs in Silverstone gelandet.

Als Wiedereinsteiger (20 Jahre Elternauszeit) wollte ich mich sicherer auf der Maschine fühlen, Verständnis für das Kurvenfahren entwickeln und wenn es endlich auch mit dem Knieschleifen klappt, umso besser.

Vorab: nach 2 Tagen Kurs bist du platt, aber glücklich. Mehr lernen geht nicht, dass muss erst sacken und auf der Straße oder Rennstrecke praktiziert werden! Die Schule bietet jeweils Tageskurse an: Level 1 bis 4. Ich habe Level 1+2 direkt hintereinander gemacht, weil mir die Anreise für nur einen Tag etwas zu aufwendig war.

An beiden Tagen war ich jeweils mit einem weiteren Schüler (1.ter Tag ebenfalls ein Wiedereinsteiger) und einem Trainer in einem „ 3er Team“ zusammen. Maschine und Bekleidung habe ich geliehen (zu umständlich im Flieger aus Deutschland mitzubringen). Die englische Schule fährt auf Ducati: habe 1x Monster und 1x Panigale geliehen. Insgesamt waren ca. 60 Schüler im Tageskurs. Das Publikum war international (Engländer, Franzosen, Spanier, Deutsche, Holländer). Vom Racer bis zum Tourenfahrer war alles vertreten. Kurssprache ist Englisch. Da die Schule in vielen Ländern aktiv ist, wird bei Bedarf ein Dolmetscher zur Verfügung gestellt. Sprache ist also nicht das Problem. Hände ( ) und Füße helfen übrigens bei der Verständigung auch prima.

Da sich die Kurse von der Theorie her an die Inhalte des Buches von Keith Code anlehnen, war für mich das vorherige Studium des Buches (querlesen reicht) ganz hilfreich, ist aber sicher kein Muss. Wer aber grundsätzlich verstehen will, „wie die Schule tickt“ der sollte das Buch bzw. die Bücher (Bd. 1+2) vorher lesen. Zwar sind die Bilder etwas veraltet und vom Layout ist der Lack ab, aber die Inhalte sind absolut aktuell.

Am 1.ten Tag war es morgens nass, war aber kein Problem. Wie Markus ja bereits in seinem Bericht geschrieben hat, kann jeder auf der Strecke sein eigenes Tempo fahren und auch andere bei Bedarf überholen. Wer „racen“ will, kann das tun, aber es geht ja um das Abarbeiten von Übungen, da ist das Tempo erst mal zweitrangig.

Jedes Level (also jeweils 1 Tag) besteht aus 5 sogenannten drills, d.h. in sich abgeschlossenen Übungen. Eine Übung besteht aus 4 Elementen: 20 Min. Theorie (Klassenraum), 20 Min. Fahren (umsetzen der Theorie), ca. 10 Min. Einzelbesprechung mit dem Coach und 20 Min. Ruhephase im Erholungsraum. Morgens um 8.00 Uhr geht’s los und endet ca. 17.30 Uhr. Langes Vorstellen der Teilnehmer morgens entfällt. Nur kurzes Briefing. Dein Coach, der dann den ganzen Tag mit dir zusammenarbeitet, stellt sich dir kurz vor und stellt ein paar Eingangsfragen, dann geht’s sofort los.

Hier als Beispiel die Übungen von Level 1:
Throttle Control (Kontrolle des Gasgriffes)
Turn points (Einlenkpunkte)
Quick Turning (schnelle Einlenktechnik)
Rider Input (Einwirktechniken des Fahrers auf die Maschine)
Two-Step Turning (2-Stufen-Technik für das Kurvenfahren)

Die visual skills, zu denen natürlich auch die Blickführung gehört, werden in Level 2 trainiert.

Weitere Infos/Beispiele findet man auch auf Youtube im Internet:
http://www.youtube.com/watch?v=2YIOxOaaVPE; http://www.youtube.com/playlist?list=PLDC100A21BDA1782C
http://www.youtube.com/watch?v=rLEyXAft ... 21BDA1782C
http://www.youtube.com/watch?v=Wx3uft5Ry4I

Die Coaches sind sehr qualifiziert. Alle durchlaufen lange Ausbildungen bevor sie eingesetzt werden. Dein dir zugeteilter Trainer fährt während einer Übung entweder vor dir und zeigt dir, was du machen sollst oder fährt hinter dir und beobachtet dich. Hier liegt der Fokus der Trainer: genau zu sehen, was du tust und was man daran verbessern kann. Da die Trainer z.T. selber Rennfahrer sind, habe ich es nicht erlebt, dass ein Schüler seinem Trainer „abgehauen“ ist. Nach Ende jeder Übung wird sofort mit dem Schüler im Einzelgespräch die Übung analysiert und exakt besprochen: wie ist man klargekommen, was war gut, wo ist Verbesserungsbedarf. Gefahren wird übrigens in der Regel auf relativ kleinen Kursen/Rennstrecken mit vielen Kurven, damit der Schüler möglichst viel die einzelnen Übungen trainiert und nicht nur über die Piste heizt. Da ist auch ein Unterschied zu Trackday-Veranstaltungen (zumindest an denen ich teilgenommen habe) auf den großen Rennstrecken, die ja alle auch Einzeltrainings, Rennstreckentraining mit Instruktor, Videotraining usw. angeboten haben. Gelehrt wird nicht heizen und Ideallinie fahren, sondern immer nur einzelne Techniken, um insgesamt sicherer und natürlich schneller zu werden.

Fazit/Gesamteindruck
-Nicht billig, aber gut investiertes Geld: 500€ Kursgebühr pro Tag, plus Hotel und Anreise (Ryanair 60€). Bei mir kam noch eine Leihmaschine (220€/Tag) und Bekleidung komplett (40€) dazu. Ich bin per Flieger nur mit Köfferchen angereist. Viele reisen auch mit eigener Maschine und Wohnmobil oder Zelt an, dann wird’s erheblich billiger.
-Instruktoren/Schüler-Verhältnis: 1:2 oder 1:3
-Immer sehr viel Platz auf der Strecke: nicht mehr als 20 Teilnehmer (plus ca. 10 Coaches) gleichzeitig auf der Strecke
-Permanente strikte Kontrolle, dass die Sicherheitsregeln auf der Strecke eingehalten werden: kein einziger Unfall in den 2 Tagen (ich wurde einmal rausgewunken und freundlich ermahnt, weil ich zu knapp überholt hatte)

Der Tag ist hart, das Personal extrem freundlich und hilfsbereit, geübt wird ohne Druck aber mit Konsequenz. Die Atmosphäre ist sehr relaxt. Wer will, lernt viele nette Leute kennen, die Superbikeschool ist eine große Familie. Wer einmal Schüler war, kann immer wieder anrufen und bekommt direkte Hilfe von einem Coach, wenn er etwas „auf dem Herzen hat“.

Da die Schule in immer mehr Ländern aktiv wird, wird es vielleicht in 2015 auch was in Deutschland geben.
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon MSHPU » 12.07.2014, 18:02

Danke für die bisherigen Rückmeldungen, es scheint ja tatsächlich so zu sein, dass durchaus Interesse an diesem Theme besteht.

Serpel hat geschrieben:Hast du noch ein paar von den Tipps in Erinnerung, ums sie hier weiter zu geben? Bestimmt waren auch ein paar allgemeingültige Ratschläge drunter, die für viele von uns von großem Interesse wären.


Advokatleipzig hat geschrieben:@MSHPU: Danke für den Bericht, zugleich schließe ich mich Serpel an: Es wäre interessant, genaueres - jenseits der wenig informativen Andeutungen auf der von Dir angegebenen Homepage der Schule - zu erfahren über das 4-Stufen-System und die einzelnen Themen der Lehrinhalte der jeweiligen Stufe und die verwendeten Lehrmethoden, auch bezogen auf die praktischen Einheiten.


Mycolonia hat die Übungen der ersten beiden Levels genannt. Mir besonders in Erinnerung geblieben ist z.B. die Übung, bei der man gezielt den Lenker auf der falschen Seite nach vorne schiebt, um schnell einzulenken. Es ist ja tatsächlich so, dass man, wenn man eine Linkskurve fahren möchte, links nach vorne schiebt, also eigentlich nach rechts lenkt. Für den Kopf ist das rückwärts, weil man ja normalerweise erwarten würde, nach links zu lenken, wenn man nach links fahren möchte. Das ist schon beim BMW Fahrsicherheitstraining thematisiert worden, im dortigen Fahrsicherheitszentrum steht auch ein Veresuchsaufbau, der genau das demonstriert.

Jetzt ist es ja so, dass man ja den Lenker nur im Millimeterbereich bewegen muss, um ein Motorrad zu steuern (außnahme natürlich Rangieren aus dem Stand oder extrem niedrige Geschwindigkeiten von vielleicht unter 10 km/h). Jeder von uns bekommt das Lenken auch hin, egal ob auf der Rennstrecke oder der Landstraße. Man denkt über das Lenken ja nicht groß nach, man macht es einfach, je nachdem wie es die Situation erfordert.

Die Übung ist bei mir deswegen haften geblieben, weil ich auch auf der Rennstrecke versuche, ohne großes "Gehacke" zu fahren, also möglichst weich, um Unruhe im Fahrwerk etc. zu vermeiden. Dass die Ideallinie mit einer 1000er anders (spitzer) ist, als mit einer 600er oder 125er ist klar und da fand ich die Übung sehr interessant, nicht einfach nur unbewusst zu lenken, wie man es immer macht, sondern bewusst oder bewusster gegen den Lenker zu schieben, um das Motorrad entweder schneller in die Kurve abzuklappen oder aus der Schräglage schneller wieder aufzustellen. Das funktioniert tatsächlich und wird ein Thema sein, mit dem ich beim nächsten Renntraining gezielt experimentieren werde.

Bezüglich der Lehrmethoden kann ich sagen, dass die Inhalte im Gespräch hergeleitet werden, d.h. anhand einer Alltagssituation, die jeder kennt. Mit gezielten Fragen führt der Trainer die Gedanken in eine Richtung, so dass man Problem und noch mehr die Lösung auch im Kopf des Teilnehmers herleitet. Die Theorieteile sind ganz sicher keine reinen Frontalveranstaltungen, bei denen man leicht den Kopf abschalten kann. Könnte man natürlich, aber dafür hat man ja das Geld nicht bezahlt. Die Lösungen werden dann auch viel am Whiteboard erläutert, was mir auch lieber ist, als irgendeine Multimediashow am Rechner. Powerpoint ist eh eine Krankheit bei Vorträgen.

In den Praxisteilen wird mit Handzeichen gearbeitet und natürlich mit glasklaren Feedbackgesprächen. Auch dort wird wieder eher mit Fragen gearbeitet, damit der Teilnehmer auch in seinem eigenen Kopf auf die Lösung kommt. Ich glaube, ich hatte schon geschrieben, dass jede einzelne Rückmeldung exakt auf den Punkt war. Wenn man ehrlich zu sich selbst ist und seine Stärken und Schwächen selbst ein wenig durchdenkt, dann hatten die Rückmeldungen durchaus das Potenzial, dass einem die Kinnlade erst einmal runterfällt... :)
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon Advokatleipzig » 13.07.2014, 11:18

Danke für die Ergänzung, Markus. Sehr interessant. In der Tat, das hört sich sehr gut an und macht Lust auf eine "Städtereise London mit Pfiff". Es bestärkt mich in meinen ersten Lernerfahrungen: Jedenfalls, wenn man kein Naturtalent und komplett angstfrei ist (und noch möglichst Anfang/Mitte 20), kommt es bei dieser extremen Sportart für Fortschritte - zumal zügige - entscheidend darauf an, dass
- die Vielzahl der Dinge, die es zu können gilt, in getrennt versteh- wie übbare Häppchen zerteilt werden;
- jemand auch sportdidaktisch Kundiges einem hilft, das zu Lernende zu verstehen und in der Lage ist, einem auch gute Tipps zu geben, worauf es beim Üben zu achten gilt, um besser zu werden;
- das Ganze auch in einer äußerlich streßfreien Atmosphäre stattrfindet (nicht zu viele Teilnehmer pro Instruktor, keine zu hohe Fahrerdichte auf der Strecke, klare Regeln auf der Strecke und hohe compliance (die Regeln werden auch eingehalten bzw. die, die es nicht tun, tauchen nicht auf, werden ermahnt oder werden nötigenfalls rausgenommen));
- deutliche und nicht nur verbale, sondern verlässliche (erneut: compliance) Trennung der verschiedenen Leistungsklassen auf der Strecke.
- keine: "Lasst uns mal kräftig heizen"-Atmosphäre.
Ich will keine Werbung machen, aber: Jedenfalls das FSZ Sachsen kommt nach meinen ersten Erfahrungen bei seinen Rennstreckentrainings durchaus auch an das heran, was Markus beschreibt, einmal abgesehen von den Theorieteilen.
Bleibt nur die England-typische Frage, Markus: Wie war das Essen?
Gruß
Klaus
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Re: Brands Hatch mit der California Superbike School

Beitragvon G.A.C.O. » 13.07.2014, 12:02

Hört sich alles super an.
Ein Kumpel hat in Oschersleben ein V.I.P. Training (2 Tage) bei Hafeneger mit Stefan Nebel gemacht und war schwer begeistert. Zum Beispiel Kamera für eine Turn auf die Gashand, um zu zeigen, wie es gemacht werden sollte bzw. was falsch gemacht wird.
Ich denke, dass jedes intensive Training vorteilhaft ist aber ist sicher auch eine Frage der Kosten, die jede(r) investieren will/kann.

Gruß
G.A.C.O.
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